Photo
087 - 06.06.2025

Schreiben an einem besonderen Ort – Warum ein Tapetenwechsel Wunder wirkt

Eine lange Zeit habe ich nicht geschrieben. Weder einen Roman, noch einen Blogbeitrag oder auch nur einen kleinen Instagram-Post. Das hatte seine Gründe.

Dann kehrte langsam wieder Gelassenheit, kreative Ruhe und Freude in mein Leben, Ideen und Gedanken wirbelten in meinem Kopf und die Lust war da, zu schreiben. Aber ich hätte nicht gedacht, dass der Anfang so schwierig wird.

Es gibt Orte, die öffnen nicht nur Türen, sondern auch Gedankenräume. Orte, an denen das Schreiben leichter fällt, weil der Blick weiter reicht, weil der Alltag Pause hat, weil man wieder spürt, warum man überhaupt Geschichten erzählt.

Für mich ist Burg Rothenfels so ein Ort – und dieser Text ist ein kleines Loblied auf das kreative Unterwegssein in meiner „zweiten Heimat“. Die Burg kenne ich seit ich meiner Kindheit. Ich war schon auf vielen Tagungen hier, habe in dieser Burg gelacht, gestaunt, gelernt, mich kreativ ausgetobt. Es ist ein Ort voller Erinnerungen – und doch eröffnet er mir bei jedem Besuch neue Perspektiven und alle Wiederholungen fühlen sich neu an.

Dieses Mal bin ich für etwas ganz Besonderes hier: zwischen der Himmelfahrts- und der Pfingsttagung, liegen 5 Tage ohne Thema und Programm, die ich zum Schreiben nutzen möchte. 12 Tage Glück.

Schon die Aussicht auf diese „Zwischentage“ fühlt sich herrlich an. Kein Arbeiten zwischen Telefonanrufen, Gartengießen, Einkaufslisten und Treffen mit Freunden (so schön sie auch sind). Stattdessen: nur mein Laptop auf dem Tisch meiner Kemenate und das stille Versprechen, dass ich mich ein paar Tage lang nur dem Schreiben widmen darf.

Ein Ortswechsel tut nicht nur dem Körper gut, sondern auch dem Kopf. Plötzlich ist da Raum – zum Denken, Fühlen, Erfinden. Ich schaue aus dem Fenster der Burg ins Grüne, höre die Turmfalken krächzen, manchmal den Regen an die Scheiben prasseln und irgendetwas in mir wird leiser, aber gleichzeitig wacher. Andere Geräusche als in Bonn, der vertraute Burggeruch und diese unwahrscheinlich schöne Atmosphäre lassen meine Sinne umschalten, diese Umgebung ist wie eine Einladung, mich inspirieren zu lassen. 

Vielleicht der größte Luxus beim Schreiben an einem besonderen Ort: Man muss sich nicht um alles andere kümmern. Keine Spülmaschine, die ausgeräumt werden will. Kein „Ich sollte aber noch schnell…“. Kein Rasenmäher in der Nachbarschaft, der lauter ist als jede Idee.

Hier auf der Burg darf ich einfach Autorin sein. Nicht nebenbei, nicht in einer Zeitlücke, nicht zwischen zwei Mahlzeiten – sondern ganz und gar. Ich stehe morgens auf, denke an meine Figuren, trinke Kaffee auf den Burghof und schreibe. Und wenn ich eine Pause brauche, gehe ich spazieren, in die Kapelle oder treffe mich mit einigen Freunden, die hier ebenfalls ihre spezielle Auszeit zwischen den Tagungen genießen. Denn ja, auf der Burg ist man niemals allein.

Dieser Abstand vom Alltag ist kein Eskapismus. Er ist Raum für das, was sonst manchmal zu kurz kommt.Raum für Gedanken, die leise sind. Für Sätze, die Zeit brauchen. Für Szenen, die wachsen dürfen.

Es hat etwas Besonderes, an einem Ort zu schreiben, der selbst Geschichten erzählt und an dem ich so viele Geschichten selbst erlebt habe. Die Burg mit ihren Mauern, Räumen und Gängen ist nicht neutral. Sie ist Mitspielerin. Sie lässt mich anders denken, intensiver fühlen, lässt die Worte fließen.

Ich frage mich, wie oft genau in diesem Raum Menschen schon geschrieben, gelesen, geträumt haben. Vielleicht ist das nur eine romantische Idee – aber genau solche Gedanken machen das Schreiben hier so anders. Ich bin nicht allein mit meiner Geschichte, ich schreibe eingebettet in einer Atmosphäre, die mich trägt.

Ein besonderer Schreibort verändert nicht nur den Raum, sondern auch das Zeitempfinden. Ich schreibe konzentrierter, aber nicht gehetzt. Ich lasse Szenen stehen, ohne sie sofort zu überarbeiten – weil ich weiß: Ich habe Zeit. Nicht ewig, aber genug.

Natürlich bleibe ich nicht für immer hier. In ein paar Tagen werde ich wieder zuhause am Tisch sitzen, mit meiner Kaffeemaschine, meinem Garten, meinen Freunden und dem Supermarkt um die Ecke. Aber ich nehme etwas mit: Seiten voller neuer Szenen. Und vielleicht noch wichtiger: das Gefühl, dass Schreiben wieder Spaß macht und, einmal angefangen, nicht mehr wegzudenken ist aus meinem Leben.

Ich weiß, ich werde nicht jedes Kapitel meines Romans auf meiner Burg schreiben können. Aber ich weiß jetzt: Diese fünf Tage waren mehr als nur Zeit. Sie waren ein Geschenk an meine Geschichte – und an mich selbst als Autorin.

Wenn du also einen Ort hast, der dir etwas bedeutet, der dich inspiriert, der dich atmen lässt: Geh hin. Es lohnt sich.