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088 - 26.10.2025

Zeitumstellung: Ich liebe sie!

Ich weiß, die meisten Menschen finden die Zeitumstellung von Sommer- auf Winterzeit und wieder zurück nervend. Immer mehr halten sie für unnötig, ja sogar schädlich, für Körper, Geist und die Wirtschaft.
Das mag ja alles sein, aber ich stürze mich dazu nicht in wissenschaftliche Studien oder wäge die Vor- und Nachteile der Zeitumstellung ab.
Ich genieße sie einfach.
Wie ihr vielleicht wisst, bin ich ein Nachtmensch und die Morgenstunden verschlafe ich. Es ist also meistens hell, wenn ich aufstehe. Dafür sind die längeren Abende in der Sommerzeit mehr als willkommen. Ich verbringe dann eh mein Leben im Garten. Mein Arbeitszimmer unterm Dach ist meistens wegen Hitze geschlossen und die Arbeit in der Natur lässt meine Kreativität fließen.
Aber diesen Zustand für immer? Den Wunsch habe ich nicht.
Im Herbst und Winter stelle ich nicht nur meine Uhr um, ich stelle auch mich um. Der Wechsel bringt automatisch Veränderungen, die willkommen sind, denn die vielen Stunden am Schreibtisch, während draußen die Welt in Dunkelheit gehüllt ist, lassen ebenfalls die Ideen sprudeln.
Die dunkle Jahreszeit darf sich ruhig austoben. Dann ist es eben um 17.00 Uhr dunkel, eine dicke Kerze zieht in mein Arbeitszimmer ein und spendet schönes Licht. Ich schreibe gerne in der Nacht, also genieße ich das im Winter eben ab den späten Nachmittagsstunden.
Der Übergang ist natürlich fließend, aber die Zeitumstellung markiert für mich endgültig den Abschied vom Sommer. Und er wird versüßt durch die geschenkte Stunde.
Ja, sicher, die wurde mir im Frühling ja auch genommen. Das fühlt sich an dem Sonntag vielleicht blöd an, aber es ist abends merklich heller und der Frühling steht vor der Tür, also genieße ich auch diese Umstellung.
Umso schöner ist es, wenn die Zeit erneut verlagert wird und ich die Stunde wieder zurückbekomme. Die gönne ich mir ganz bewusst. Leider stellen sich viele Uhren automatisch um, aber meine große Küchenuhr läuft batteriebetrieben und muss händisch umgestellt werden. Und das mache ich erst, wenn ich mir meine goldene Stunde gegönnt habe mit der Vorstellung, dass die Wirklichkeit eine zarte Pause eingelegt. In dieser Stunde liegt die Magie, dass ich die Zeit in den Händen halte und dass ich über sie bestimmen kann.
Heute war es das Sitzenbleiben nach einem späten Frühstück. Da es draußen stürmte, war es drinnen umso gemütlicher. Ich zündete Kerzen an, machte mir eine zweite Tasse Milchkaffee und gönnte mir eine Stunde Lesezeit mit meinem aktuellen Roman.
Einfach herrlich.
Nach dieser Stunde stellte ich bewusst die Küchenuhr um und ging den Beschäftigungen nach, die ich für diesen Sonntag geplant hatte. Und freue mich den ganzen Tag über diese geschenkte Stunde, meine goldene Zeit.
Jedes Jahr denke ich: Das ist doch toll, mach das doch einfach öfter. Schenk dir doch so eine Stunde, auch ohne Zeitumstellung.
Aber mal ehrlich, das ist nicht dasselbe.
Klar, die Jahreszeiten bringen jedes Jahr Veränderungen, die die Möglichkeit versprechen, uns neu zu orientieren, zu sortieren, Prioritäten zu prüfen und uns mit neuen Situationen zu versöhnen. Aber das ist mir für heute zu groß, zu viel, zu bedeutsam. Ich will einfach ohne Grund in der Vorstellung schwelgen, dass ich heute eine Stunde geschenkt bekommen habe, die ich so nutzen kann, wie ich es will. Und dass diese Stunde durch die Zeitumstellung „echt“ ist. Sie hat mir heute nicht etwas Kreatives entlockt, ich habe nichts Besonderes getan, sie nicht „genutzt“, sondern sie einfach nur genossen, mit meinem Buch, einem Kaffee und mit mir.
Am Ende geht es nicht darum, eine Stunde zu verlieren oder zu gewinnen, sondern darum, ihr einen liebevollen Platz in meinem Leben zu schenken.
Das reicht.
Und an anderen Tagen gönne ich mir auch etwas Gutes. In der Zeit. Ohne Magie. Weil es mir guttut. Aber es ist nicht meine geschenkte Stunde bei der Zeitumstellung. Die Stunde ist und bleibt etwas Besonderes.

P.S. Ich hatte übrigens zwei Frühaufsteher-Kinder, die mich im Herbst statt um 6.00 um 5.00 Uhr weckten, ich weiß also durchaus um diverse Probleme. Hätte man mir damals von einer goldenen Stunde erzählt, der Artikel wäre ganz anders ausgefallen ... wenn ich die Kraft gefunden hätte, ihn zu schreiben.
Aber die Zeiten ändern sich und warum sollte ich heute nicht etwas genießen, was ich früher scheußlich fand?
Genau. Es gibt keinen Grund.
Alles hat seine Zeit. Also Durchhalten und auf den Herbst des Lebens hoffen, der bringt auch Vorteile.