Geliebte Füllwörter: Erst geschrieben, dann gelöscht. Eigentlich irgendwie schon auch schade.
Ich habe nach Beendigung meines Romans die Rechtschreibprüfung eingeschaltet und anschließend die Stilanalyse. Sehr hilfreich.
Ich war dann stundenlang damit beschäftigt, die mir angezeigten Füllwörter zu überprüfen und sie dann (meistens) zu löschen. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich, trotz der Fülle an Füllwörtern, ganz bestimmte besonders gerne mag.
Hier die persönliche Top-Ten-Liste meiner Lieblingsfüllwörter:
Platz 1: eigentlich
Platz 2: irgendwie
Platz 3: während
Dann folgen: ja – einfach – wirklich – etwas – auch – plötzlich – noch.
Eigentlich ist nämlich eigentlich irgendwie einfach mein Lieblingswort.
Ich habe es begeistert und stetig in meinen Roman eingebaut, es floss sozusagen ungehemmt aus meiner Feder.
Dann kommt das Korrekturprogramm und zack – 67mal habe ich es gelöscht.
Platz 1 bedeutet hier also nicht eine Goldmedaille bei der Wort-Olympiade, einen Oskar oder gar den Nobelpreis in Literatur, sondern, dass ich das Wort EIGENTLICH von allen Füllwörtern am häufigsten gelöscht habe.
Einfach so.
Eigentlich schade.
Und wie sich EIGENTLICH dabei so fühlt, fragt sich auch kein Mensch. Erst geliebt und dann ausradiert. Das hat das Wort nicht verdient. Das haben alle so beliebten Füllwörter nicht verdient.
Das Wort EIGENTLICH kann ja auch gar nichts dafür. Es hat sich nicht selbst erschaffen. Es hat sich mir nicht aufgedrängt. Nein, die Menschheit und die deutsche Sprache haben es hervorgebracht. Jetzt ist es auf der Welt und wird von vielen gerne benutzt. Aber nicht gerne gesehen.
Ein Füllwort ist laut Duden ein Wort mit geringem Aussagewert, das zum Verständnis des Kontextes nicht notwendig ist.
Des Weiteren ist zu lesen:
„Füllwörter blähen Sätze auf.“
„Füllwörter verwässern die Inhalte und verlängern die Lesezeit.“
„Von vielen werden Füllwörter unüberlegt und unwillkürlich eingesetzt, was meist zu einem schlechtem Stil führt.“
„Heikel ist auch die Aneinanderreihung dieser Weichmacher. Als Verzögerungssignale erwecken sie den Eindruck, der Verfasser habe nichts zu sagen und verberge sich aus Angst vor einem verbalen Fehltritt hinter einer schützenden Wortwand.“
„Diese Wörter sollten Sie aus Ihren Texten streichen“.
Und dann werden die zum Löschen Verurteilten aufgezählt.
Oha! Das ist ja das reinste Mobbing. Ich als EIGENTLICH würde mich sehr schlecht fühlen, wenn ich das lesen könnte. Und das steht nicht nur einmal da. Das ganze Internet ist voll davon. Wörter werden in gute und schlechte Wörter eingeteilt. Leute, das ist doch nicht schön. Und die armen Füllwörter können sich nicht wehren.
Ich hätte wirklich Lust, mal ein Buch zu schreiben, in dem es nur so vor Füllwörtern wimmelt – und das trotzdem Aussagekraft besitzt. Und wenn dann irgend so ein Kritiker rummäkelt, dass mein Buch statt mit 618 auch mit 243 Seiten ausgekommen wäre, dann habe ich zigtausend Füllwörter in meinem Rücken, wenn ich dagegenhalte, dass das irgendwie vielleicht in kleinen Ansätzen eventuell stimmen könnte, aber im Grunde genommen auch wieder nicht so richtig wahr ist, denn der Leser hätte durch den Genuss von so vielen Füllwörtern eine weichgespülte Version der Wahrheit genießen können, die sich auch irgendwie sehr gefällig anhört und im Kampf gegen die Ungerechtigkeit der Wertigkeit von Wörtern irgendwie einen Meilenstein setzt. SO!
Der Kritiker wird das nicht einsehen.
Eigentlich schade, ihm entgeht soviel.
Ich breche mal eine Lanze für die Füllwörter: Sie sind nicht grundsätzlich schlecht.
Sie sorgen für lebendige Texte. Sie lassen einen Satz anschaulich, blumig oder subjektiv klingen. Sie bringen eine Melodie in einen Text. Sie können das Geschehen kommentieren oder Ironie und Sarkasmus vermitteln.
Sie zeigen Zusammenhänge auf und untermalen angestrebte Aussagen.
Manchmal können sie sogar Fragen stellen und sie auch gleichzeitig beantworten.
„Echt jetzt?“
„Schon wieder?“
„Immer noch?“
Wie soll man das bitte ohne Füllwörter hinkriegen?
Füllwörter können auch besondere Umstände hervorheben, Inhalte emotional färben und Tendenzen verdeutlichen.
In einem Dialog im Liebesroman ist es sehr wichtig, ob der Protagonist sagt „Ich liebe dich!“ oder „Ich liebe dich ein bisschen.“
Wenn eine Person genervt ist, dann klingt „Das habe ich dir doch vorhin schon gesagt“ wesentlich intensiver als „Das habe ich dir gesagt.“
Will man seinen Liebsten bestärken, etwas Unangenehmes zu erzählen, kommt es auch besser, wenn man „Sprich es einfach aus“ sagt und nicht „Sag es!“
Füllwörter sind also in Wahrheit gar nicht überflüssig. Ha! So ist das.
Trotzdem habe ich EIGENTLICH 67mal gelöscht.
Ich habe mich der Mehrheitsmeinung gebeugt und habe ganz viele Füllwörter, besonders meine Lieblinge, immer und immer wieder rausgeschmissen.
Eigentlich schade.
Eigentlich tut mir das sehr leid.
Irgendwie möchte ich das nicht.
Für meinen Roman habe ich es trotzdem getan.
Ob es wohl gut in einem Liebesroman ankommt, wenn man ihn seinen Lieblingsfüllwörtern widmet?
Solche Fragen lassen mich nachts nicht schlafen.
Und dann kam mir die Idee, wie ich einen Ausgleich schaffen kann.
Ich habe diesen Wörtern ein Denkmal gesetzt. Und kleine Gedenktäfelchen zu ihren Ehren gestaltet. Sie hängen jetzt bei uns im Wohnzimmer und erfreuen hoffentlich jeden, der sie erblickt, liest, im Kopf behält und vielleicht, wenn er sie das nächste Mal benutzt, ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. (Hinweis: Auf meiner Instagram-Seite kann man sie alle bewundern.)
Haben sie sich natürlich wirklich irgendwie eigentlich doch verdient, oder?
Übrigens: Außer meinen geliebten zehn Füllwörtern gibt es noch viele andere, insgesamt gibt es eine schwarze Liste mit 125 Füllwörtern und Phrasen.
Wenn ich für jedes dieser Wörter täglich eine Schweigeminute einlegen würde, dann wäre ich für 2 Stunden und 5 Minuten still.
Meine Kinder würde es wahrscheinlich/vielleicht/eventuell/möglicherweise/irgendwie ... freuen.
Aber zu früh gefreut! Ich würde das gewiss/bestimmt/grundsätzlich/letztendlich/niemals ... durchhalten.
Stattdessen werde ich mich lautstark für Füllwörter einsetzten. Ich werde mich um meine 10 Lieblingswörter kümmern.
Vielleicht wollt ihr ja Pate oder Patin für eines der unten stehenden Wörter werden?
Es liebevoll behandeln, es immer mal wieder erwähnen, es strahlend in die Welt entlassen.
Das würde die stilanalysegebeutelten Füllwörter bestimmt erfreuen. Und mich auch.
JA, WÄHREND ich IRGENDWIE versuche, NOCH EIGENTLICH ETWAS WIRKLICH Wichtiges zu schreiben, fällt mir PLÖTZLICH auf, dass ich EINFACH alles gesagt habe, AUCH gut.
(Wie das tapfere Schreiberlein zu sagen pflegt: 10 auf einen Streich!)
Diese Wörter und Phrasen suchen Paten und Patinnen:
anscheinend, ausnahmslos, augenscheinlich, ausdrücklich
bei weitem, besonders, bestenfalls, bestimmt
demgegenüber
echt, eigentlich, einfach, einigermaßen, einmal, endlich, erheblich, etwa, etwas
fast, folgendermaßen, fortwährend, fraglos, freilich
ganz gewiss, ganz und gar, gar, gelegentlich, genau, gerade, geradezu, gesagt, gewiss, gewissermaßen, gewöhnlich, gleichsam, grundsätzlich
halt, hervorragend, hier und da
ich glaube, ich sage mal, im Prinzip, immer, in Wahrheit, in aller Deutlichkeit, in der Regel, in diesem Zusammenhang, in etwa, in gewisser Weise, infolgedessen, inzwischen, irgend, irgendwann, irgendwie, irgendwo
ja, jede
kaum, keinesfalls, keineswegs
letzten Endes, letztendlich
mal, man könnte sagen, manchmal, maßgeblich, mehrere, meist, meistenteils, mutmaßlich, möglicherweise
nachhaltig, natürlich, nicht wahr, nichtsdestotrotz, nichtsdestoweniger, nie, niemals, normalerweise, nun, nur
offenbar, offenkundig, oft, ohne Umschweife, ohne Zweifel
plötzlich, praktisch
regelrecht, relativ, ruhig
schon, sehr, selbstredend, seltsamerweise, sicher, sicherlich, sogar, sogleich, sonst, sozusagen
unbedingt, ungefähr, unlängst, unsinnig, ursprünglich, überhaupt, übrigens
vergleichsweise, vielfach, vielleicht, völlig, vollkommen
wahrscheinlich, weitgehend, wenige, wenigstens, wieder, wieder einmal, wirklich, wohl
ziemlich, zugegeben, zweifellos, zweifelsohne