Mir doch egal, wie alt ich bin. Ich möchte einen Schokohasen zu Ostern!
Lieber Osterhase,
in den letzten Jahren hast du mir deutlich gezeigt, dass ich deiner Meinung nach alt werde.
Denn ich bekomme inzwischen sehr „edle“ Ostereier mit den gewagtesten Geschmacksrichtungen ins Nest gelegt. Oder die mit Alkohol.
Die schmecken mir aber nicht! Mein Geschmack ist bei bestimmten Dingen auf dem Stand einer Fünfjährigen.
Zu der Zeit bekam ich noch Hasen und Eier aus Vollmilchschokolade geschenkt, so einfach und so lecker. Mit diesem Geschmack verbinde ich nicht nur Genuss, sondern das Gefühl von Kindheit. Die Freude beim Eiersuchen und die Aufregung, die einen ergriffen hatte, wenn man den Osterhasen in der Ferne davonhoppeln sah ...
Und ich hab ihn jedes Jahr gesehen.
Jetzt sehe ich ihn nicht mehr und finde Zartbittereier mit Chiligeschmack in meinem Nest. Ob es da einen kausalen Zusammenhang gibt?
Andere Menschen in meinem Alter sind anscheinend ohne Probleme erwachsen geworden und schwärmen von den fremdartigsten Geschmacksrichtungen in der Schokoladenwelt. Sie finden meine Vollmilchschokoloden-Vorliebe oft amüsant und denken, dass ich Witze mache (oha – bei einem so wichtigen Thema würde ich das niemals tun). Oder geben mir den Tipp, dass Schokolade mit 75 % Kakaoanteil und Ingwerraspeln am besten mit einem guten Whiskey konsumiert werden sollte, da dadurch der Geschmack besonders hervorgehoben wird. Aha. Schade nur, dass ich auch Wiskey nicht mag.
Ich weiß, dass sich der Geschmack im Laufe des Lebens verändert.
Genetisch gesehen präferieren wir erstmal Süßes und Fettiges. Süß ist ein Sicherheitsgeschmack, damit assoziieren wir schnelle und gute Energiequellen. Zu Beginn unseres Lebens ist es existentiell, dass wir Süßes mögen: Fruchtwasser und Muttermilch schmecken leicht süß. Auch die Fett-Komponente wird von der Muttermilch bedient. Süß und fettig ist in dieser Zeit in unserem genetischen Programm also eine Frage des Überlebens.
Kein Wunder also, dass mich ein Schokoladenhase glücklich macht, das ist quasi genetisch bedingt.
Gut, ich bin kein Kleinkind mehr, ich weiß. Ich weiß auch, dass unser Geschmackssinn sich entwickelt. Hinter dieser Entwicklung stecken evolutionsbiologische Steuerungsprogramme, die die weitere Ausbildung von Geschmacksvorlieben lenken. Der Sinn dieser Programme besteht darin, sich abzusichern, dass Essen gut und genießbar ist und gleichzeitig die Vielfalt der Ernährung gewährleistet.
Das klappt bei mir auch durchaus, denn ich genieße es, neue Lebensmittel und Gerichte auszuprobieren. Nach der Muttermilch kamen Schafskäse, Salbei, Meerrettich und viele, viele weitere Lebensmittel, Gewürze und Gerichte in mein Leben und meine Geschmacksknospen haben viel zu tun.
Aber ... beim Hasen und bei Eiern hört es auf, lieber Osterhase. Lass dir für mich nichts Neues einfallen und versorge mich mit Kindheit!
Danke, deine Bärbel
P.S. Und wo wir schon dabei sind: Nach Ostern ist vor Weihnachten.
Auch da ist es nicht schön, erwachsen zu werden. Hier greift immer mehr die Unsitte um sich, dass sich Erwachsene nichts mehr schenken. Und wenn doch, dann nur etwas, was sie sich gewünscht haben. Damit ist aber das Schönste an einem Geschenk schon hinüber, nämlich die Überraschung.
Als Kind habe ich unter anderem die Vorfreude auf das Auspacken der Geschenke genossen, war so neugierig und so gespannt. Ich wusste ja nie, was das Christkind so bringt.
Wieso soll der ganze Spaß vorbei sein, weil man älter wird und selbst Kinder hat?
Wo ist da der Zusammenhang? Hat sich mir nie erschlossen.
Aus diesem Grund haben wir vier Geschwister beschlossen, uns nach wie vor mit einem Geschenk an Weihnachten zu überraschen. Die Angeheirateten und die Nichten und Neffen kriegen nichts, damit das mit den Geschenken nicht überhandnimmt. Also habe ich jedes Jahr mindestens drei Geschenke unter dem Weihnachtsbaum liegen, die eine Überraschung sind und ich hoffe, das bleibt so, bis ich mindestens 90 Jahre alt bin!
Veränderungen sind wichtig.
Aber Beständigkeit, Verlässlichkeit, Schokohasen und Überraschungsweihnachtsgeschenke haben auch ihre Berechtigung ...