Disziplin, Contenance und Liebesromane
Disziplin und Contenance, diese beiden Wörter haben mich in meiner Kindheit begleitet, nicht unbedingt unangenehm, eher kontinuierlich und für viele Lebenslagen geeignet.
Jetzt schreibe ich Liebesromane und frage mich, ob ich diese beiden Tugenden gebrauchen kann.
Als mein Sohn bei der Untersuchung zur Einschulung beim Gesundheitsamt auf die Frage, was man wohl brauchen würde, um in die Schule zu gehen, antwortete: Disziplin und Contenance, wusste ich, dass ich diese Weisheiten wohl ungewollt weitergegeben hatte. Auch wenn der kleine Kerl nicht wusste, was das genau bedeutete, war ihm klar, dass diese Wörter gut und brauchbar sind.
Seit ich selbstständig arbeite, also im Grunde genommen immer, weiß ich eine gewisse Arbeitsdisziplin zu schätzen, die ich mir selbst auferlege.
Und Contenance? Was war das nochmal? Kurz nachgeschlagen finde ich Folgendes von Adolph Freiherr Knigge „Über den Umgang mit Menschen“, 1803:
„Was die Franzosen Contenance nennen, Haltung und Harmonie im äußeren Betragen, Gleichmütigkeit, Vermeidung allen Ungestüms, aller leidenschaftlichen Ausbrüche und Übereilungen, dessen sollte sich vorzüglich ein Mensch von lebhaftem Temperamte befleißigen.“
Aha. Da ich durchaus ein Mensch von lebhaftem Temperament bin, sollte ich mich also angesprochen fühlen.
Aber ...
Himmel, ich schreibe Liebesromane. Da sind leidenschaftliche Ausbrüche an der Tagesordnung, die Vermeidung allen Ungestüms ist schlichtweg unmöglich und stets Haltung und Harmonie zu bewahren wäre höchst langweilig.
Also lassen wir das.
Disziplin beim Schreiben langt doch, oder?
Da gibt es für mich aber inzwischen ebenfalls Tücken.
Beispiel: Ich sitze am dritten Band der TimeGhost-Serie und diese Romane schreibe ich als auktoriale Erzählerin. So habe ich auch meine ersten beiden Romane von Sophie & Cassian geschrieben und es war die Erzählperspektive, die mir damals von alleine in den Sinn gekommen ist. Ich kannte die Gedanken, Gefühle und Hintergründe von allen Protagonisten und wollte alles gleichzeitig dem Lesenden mitteilen.
Mitten in diesen Prozess blitzte eine neue Romanidee auf. Damit ich sie nicht vergesse, entschied ich mich eines morgens, einige Szenen, die sich hartnäckig in meinem Kopf festgesetzt hatten, aufzuschreiben. Hier hatte ich mich, wieder mal ohne nachzudenken, dafür entschieden, aus der Ich-Perspektive der beiden Hauptprotagonisten zu schreiben, immer abwechselnd.
Jetzt habe ich zwei Dateien offen und inzwischen schreibe ich jeden Tag da weiter, wo es mich am meisten hinzieht.
Und ja, da ist ein gewisses Chaos vorprogrammiert. Denn diese unterschiedlichen Erzählperspektiven werden schon mal durcheinandergebracht, was ich erst bemerkte, als ich mir drei Tage später den letzten geschriebenen Text durchlas und wieder alles umschreiben musste.
Sie // er // ich // meine // ihre ... das ist nicht lustig.
Also habe ich versucht, diszipliniert an einem Roman zu arbeiten, wenigstens wochenweise.
Und? Hat es geklappt?
Natürlich nicht.
Schreiben ist eben nicht wie Buchhaltung, die man nach bestimmten Regeln abarbeiten kann. Einfälle möchten beachtet werden und Ideen aufgeschrieben, damit sie nicht in Vergessenheit geraten.
Und was heißt das jetzt? Schmeiße ich die Disziplin genauso über Bord wie meine Contenance?
Das jetzt auch wieder nicht.
Ich schreibe diszipliniert alle vierzehn Tage diesen Blog, aber ich habe es schon lange aufgegeben, mir am Anfang des Jahres ein Konzept zu machen, welche Themen ich wann bearbeiten könnte. Das Leben kommt immer dazwischen und das ist auch gut so.
Die Konzepte am Anfang meiner Blogkarriere dienten eher als Beruhigung. Was tun, wenn mir spätestens am Donnerstag nichts einfällt und freitags das Erscheinungsdatum ist?
Nach zwei Jahren als Autorin weiß ich, dass mir Themen für einen Blogeintrag schon rechtzeitig einfallen und die Romane werden geschrieben, wie sie mir in den Sinn kommen. Auch gleichzeitig und durcheinander. Ich rege mich über die anfallenden Korrekturen nicht mehr auf.
Fazit:
Ich schreibe diszipliniert an fünf bis sieben Tage die Woche.
Ansonsten bin ich gelassen und lasse den Dingen ihren Lauf.
Und bei Schreibblockaden und zähen Phasen bewahre ich Contenance.