Ein pinker Stuhl geht auf Reisen
Es erreichen mich viele Fragen zum pinken Stuhl. Der hat natürlich seine Geschichte.
Ich habe mir überlegt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, die Geschichte des pinken Stuhls zu erzählen. Das Osterfest 2020 ist anders als alles, was ich und wahrscheinlich viele Menschen auf der ganzen Welt bisher erlebt haben, zum Beispiel geschlossene Kirchen in der Osternacht - eigentlich unvorstellbar und doch jetzt wahr geworden.
Deshalb mein Ostergeschenk an euch: eine pinke Geschichte. Diese wird nichts von all dem auffangen, verändern oder besser machen, aber vielleicht erfreut sie euch in dieser Zeit.
Ich fahre jedes Jahr eine Woche über Silvester auf eine Freizeit des Quickborn-Arbeitskreises auf die Burg Rothenfels und treffe dort viele Freunde. Eine wunderbare Zeit!
Diese Woche ist immer etwas abseits vom Alltagsleben. Bestimmte Dinge, Ereignisse und Gegenstände begegnen mir ausschließlich dort – aber: Bestimmet Dinge, Ereignisse und Gegenstände tauchen da einfach auch NICHT auf, bzw. sind mir nie in den Sinn gekommen, wenn ich da war.
Als dann plötzlich ein Rettungswagen vor dem Bergfried auf der Burg stand (alles wieder gut!), verschoben sich plötzlich bei mir die Perspektiven. Ein Rettungswagen und die Burg - völlig normale Dinge schienen nicht zusammenzupassen.
Im Laufe des folgenden Jahres beschäftigte ich mich mit diesem Thema und auf der nächsten Silvestertagung machten zwei befreundete Hobbyfotografen meine Vorstellungen zu Fotos: ein Bügelbrett unter dem Kronleuchter der Kapelle sorgte genauso für Aufsehen, wie zwei Köchinnen in Arbeitskleidung in unserer Gesprächskreisrunde oder auch eine brennende Kerze im Weinkühlschrank.
Die Serie „Unerwartetes auf Burg Rothenfels“ war gelungen und schön. Aber sie wäre zu Ende gewesen, wenn es da nicht noch den pinken Stuhl gegeben hätte.
Im September, als ich mit der „unerwarteten“ Idee schwanger ging, war ich ehrenamtlich als Schwarzmalerin auf der Burg tätig. Das schlichte Inventar der Burg ist größtenteils schwarz und brauchte dringend einen neuen Anstrich. Deswegen finden sich immer wieder Freiwillige unter der Leitung eines sehr kompetenten weiteren Freiwilligen, die dies an einem freien Wochenende im Jahr tun.
Und was soll ich sagen, wenn man zwei Tage lange ununterbrochen Stühle schwarz anmalt, kann man schon mal auf pinke Gedanken kommen. Abends bei einem Glas Wein in netter Runde formte sich bei mir der Gedanke, wie das aussehen würde, wenn einer der 250 Stühle wirklich pink wäre. Auf jeden Fall ein Außenseiter, aber integriert in die Gemeinschaft? Oder am Rand stehend und nicht gern gesehen?
Der Gedanke ließ mich nicht mehr los, also habe ich an Silvester für einen schwarzen Stuhl Geld gespendet und ihn liebevoll abgeschliffen und pink gestrichen. Und dann stand er im neuen Gewand im Rittersaal: Einer allein unter ganz vielen anderen – ein interessanter und toller Anblick, ein schönes Gefühl. Das Foto kam natürlich auch in die Serie „Unerwartetes auf Burg Rothenfels“ und dann war die Tagung vorbei und ich nahm den pinken Stuhl mit nach Hause, denn den ursprünglichen Plan, ihn nach der Aktion wieder schwarz zu streichen, brachte ich nicht übers Herz.
Dann stand der pinke Stuhl in unserem Haus und er sah da auch toll aus, aber irgendwie fand er nicht wirklich seinen Platz. Nach vier Monaten kam mir eine neue Idee. Ich besuchte einen Stammtisch von Silvesterfreunden und nahm den Stuhl mit. Ab jetzt sollte er von Familie zu Familie, von Freund zu Freund reisen und in der jeweiligen Heimatstadt mit den dortigen Personen fotografiert werden. Dabei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt, es gibt keine Vorgaben, die Hauptsache ist, dass es Spaß macht und der pinke Stuhl das Gefühl hat, willkommen zu sein.
Das ist jetzt drei Jahre her, der Stuhl erlebt die tollsten Sachen und kommt jedes Jahr an Silvester zurück zu seiner Burg. Und alle erfreuen sich an den neuesten Fotos aus dem vergangenen Jahr.
Und immer noch ist die Geschichte nicht zu Ende. Im letzten Jahr schenkte mir ein Quickborn-Freund, der unter anderem auch Schreiner ist, einen Original-Pinken-Burg-Rothenfels-Stuhl als Miniaturausgabe und gab damit den Startschuss für mein neues Leben mit dem kleinen, pinken Stuhl. Den trage ich nämlich jetzt immer mit mir herum und fotografiere ihn mit allen schönen und interessanten Dingen, die mir so vor die Linse kommen. Man weiß ja schließlich nie, was einem an einem harmlos sonnigen Tag so alles begegnet oder passiert ...
Jetzt wisst ihr Bescheid.
Pink is always an option!
Und das alles wegen eines Rettungswagens vor dem Bergfried von Burg Rothenfels.