Einkaufszettel und pinker Stuhl
007 - 08.05.2020

Handgeschriebene Einkaufszettel – eine wahre Fundgrube für Geschichten

Kennt ihr das? Man hat etwas auf den Weg gebracht und muss dann warten. Dabei dann gut gelaunt, diszipliniert und geduldig bleiben: DAS GEHT NICHT!
Die Daten für das ebook und das Taschenbuch sind hochgeladen, alles ist erledigt und jetzt ist nicht plötzlich der 14. Mai.

Also, was tun? Ich lenke mich ab. Zum Glück habe ich ja noch weitere Hobbys, die mich auf andere Gedanken bringen. Ich sammle nämlich seit Jahren handgeschriebene Einkaufszettel, die Menschen in ihrem Einkaufswagen zurücklassen, damit ich mich daran erfreuen kann. Darüber schreibe ich euch heute ein paar Zeilen.

Ich fischte meinen ersten Zettel aus einem Wagen, las ihn und freute mich über die Rechtschreibfehler (ich weiß, ist nicht nett, aber der Schreiber hat es ja nicht gesehen). 

*Kaffee – Whein – Käse – Leberkäse – Salad – Gelbe Bonen*
Schön!

Bei meinem zweiten gefundenen Zettel überlegte ich, was derjenige wohl heute kochen wollte, immer auf der Suche nach Inspiration. Aber selbst mit einige Zutaten, die man wohl noch im Haus haben könnte, kam ich nicht drauf, obwohl ich im Kopf die verschiedensten Gerichte ausprobierte.

Und so war mein neues Hobby geboren, seitdem halte ich aktiv nach liegengelassenen Zetteln Ausschau. Wenn ich einen finde, hat mein Tag direkt einen rosaroten Anstrich von Freude, so einfach geht das.

Allerdings muss ich sagen, dass es anscheinend nicht mehr viele Menschen gibt, die handschriftlich Einkaufszettel schreiben; die Menschen, die ihr Handy dafür benutzen, sind echte Spaßverderber. Ein weiteres Problem ist, dass viele Menschen sehr ordentlich geworden sind und ihre Zettel nicht einfach im Wagen liegenlassen, sondern sie artgerecht entsorgen. Prinzipiell ja ganz in Ordnung, aber erschwert natürlich das Leben einer Einkaufszettelsammlerin. Umso schöner, wenn mir ein neuer Fund in die Hände gerät. Dafür stöpsle ich auch mal drei Einkaufswagen raus, damit ich drankomme ...

Jetzt zu den Zetteln, da steht zum Beispiel hintereinander:

*Blumen – Rasierwasser – Caprihose – Hähnchen*

Ich finde es immer wieder interessant, zu überlegen, wie wohl die Gedanken in einem Gehirn herumwirbeln müssen, damit  diese Reihenfolge zustande kommt. Hat die Person bei Blumen an ihren tollen Mann gedacht, der so wunderbar nach Rasierwasser duftet, dass sie ihn heute Abend in ihrer neugekauften Caprihose mit Hähnchen verführen möchte? Oder will sie die Blumen mit dem Rasierwasser heute Abend verschenken, die Capirihose ist für die Schwiegermutter, die morgen eine Reise auf einem Kreuzfahrtschiff antritt und dringend diese Hose braucht und das Hähnchen gibt es erst übermorgen (wenn die Schwiegermutter auf hoher See ist) als Festmahl mit Parmesan überbacken und Ofenkartoffeln? Ich werde es nie erfahren.

Auch nicht schlecht war die folgende Liste:

*Tee – Espresso – Äpfel – Hühneraugenpflaster – Waffeln*

Oh mein Gott! Hühneraugenpflaster, eingebettet zwischen Äpfeln und Waffeln. Zum Glück esse ich Kirschen mit Sahne zu Waffeln, sonst hätte ich echte Probleme, meine nächste zu genießen.

Bei manchen Einkaufzetteln sieht man sofort, dass man sie nicht als Gedächtnisstütze für sich selbst geschrieben hat, sondern für eine andere Person, die anscheinend Erklärungen braucht, damit die richtigen Zutaten den Weg nach Hause finden.

*Waschpulver (nicht aus der Tube)* Waschpulver aus der Tube??? Ich wusste gar nicht, dass es das gibt!
*eingelegter Ingwer (wenn du magst)* Ist das nicht reizend?
*Gummibärchen (Haribo)* Ja klar, von wem denn sonst?

Manchmal sind nicht die Zutaten der Einkaufsliste interessant, sondern die Papiere, auf denen sie geschrieben wurden. Manche benutzen Zettel, die extra für Notizen hergestellt werden, viele weiße, aber auch farbige und mit Blumen verzierte. Aber ganz viele benutzen Papier, dass schon anderen Zwecken gedient hat, zum Beispiel ein beschriebener Briefumschlag von der Staatsanwaltschaft, eilige Unterlagen von einer Versicherung, ein Bierdeckel.
Sehr spannend.

Einen gefundenen DIN-A4 Zettel fand ich auch toll. Die Überschrift lautete: Bornmann/Latein/Einführung. Die muss so langweilig gewesen sein, dass im Anschluss die Einkaufsliste aufgeschrieben wurde:

*Spiegel – Hörzu – Blumen – Quark – Terrabänder – Laptopschnur (Schnur? Was soll das denn heißen?) Gerhard langes T-shirt – grüne Oliven*

Das ist doch großartig! Da kann ich stundenlang grübeln, was in dem Haushalt so los ist.

Interessant sind natürlich auch die Schriften und der Gesamteindruck. Es gibt so viele schöne Schriften zu entdecken, gerade, krakelige, ausdrucksstarke, schiefe – alles ist vorhanden.
Es gibt die Chaoten, die einfach drauflosschreiben und auch keine Reihen einhalten.
Die Organisierten, die ihre Zutaten nach Abteilungen sortieren (manche sogar nach den Gängen im Geschäft) haben meistens eine ordentliche Schrift, auch wenn die bisweilen so energisch ist, dass man sie schlecht lesen kann.
Manche haben wohl auch einen Stift dabei und streichen die Lebensmittel durch, die sie in den Einkaufswagen gelegt haben. Es sind aber nie alle durchgestrichen. Gab es den Rest nicht oder konnte man sich die letzten drei Zutaten merken?

Fragen über Fragen!

Ihr seid der Meinung, es gibt Wichtigeres? Das mag ja sein, aber wenn man zu Hause sitzt und auf die Veröffentlichung seines ersten Romans wartet, muss man sich eben mit Einkaufszetteln beschäftigen, um nicht durchzudrehen.

Vielleicht schreibe ich in den nächsten Tagen einfach ein Buch und erfinde Geschichten zu den einzelnen Einkaufszetteln. Und vielleicht liest es ja dann eines Tages der Verfasser, besucht mich und erzählt mir die wahre Geschichte. Das wäre doch toll.
Darüber schreibe ich dann auch ein Buch ...