Namen bringen mich nochmal um
Es gibt viele schöne Aspekte, wenn man ein Buch schreibt. Einer davon ist der, dass man seinen Figuren einen Namen verpassen kann. Ich liebe das nämlich und habe nur zwei Kinder und keine Haustiere, also war das Vergnügen recht spärlich in meinem Leben, bis ich Bücher schrieb.
Wenn ich mit einem Liebesroman loslege, überlege ich sehr lange, bis ich die passenden Namen für meine Hauptpersonen gefunden habe. Ich muss die Namen natürlich schön finden, sie müssen zu den Personen passen und sollten nicht alltäglich sein. Und dürfen natürlich nicht durch reale Personen schon emotional besetzt sein, damit sich ihre Charaktere frei entfalten können.
Denn es gibt viele Namen, die für mich nicht mehr neutral sind. Und im Laufe eines Lebens lernt man viele Menschen kennen, deren Namen dann Befangenheit bei mir auslösen.
Die sind dann tabu.
Aber es hat auch seinen Reiz, Namen unterzubringen, die eine Bedeutung in meinem realen Leben haben. Wie schön ist es, dem Fiesling in der Geschichte den Namen des Rüpels aus der dritten Klasse zu verpassen. Oder der Hauptprotagonistin den Mädchennamen zu schenken, den man schon immer toll fand, der aber leider bei der Namensfindung für das eigene Kind beim Gatten heftiges Kopfschütteln auslöste.
Irgendwann ist das geschafft, ich bin glücklich mit den Namen der Hauptprotagonisten. Ich habe sie oft laut ausgesprochen und mir vorgestellt, wie es klingt, wenn der andere den Namen sanft, wütend, verliebt, skeptisch oder verwundert ausspricht. Auch der Fiesling ist gut besetzt, jetzt kommt das eigentlich Problem der Namensfindung, nämlich die der ganzen anderen Personen drum herum.
Es ist nämlich so, dass ich schon immer Schwierigkeiten hatte, mir Namen zu merken. Wenn ich Personen außerhalb ihres normalen Bezugsbereichs begegne, weiß ich oft, dass ich sie kenne. Wenn ich Glück habe, sogar woher. Aber der Name? Fehlanzeige. Meistens allerdings weiß ich noch nicht mal das woher. Dann kann ich Tage damit zubringen, die Person einzuordnen. Kennt ihr das? Die nette Blumenverkäuferin, die inzwischen genau weiß, was ich gerne mag und mir meine eher schlichten Blumenarrangements zusammenstellt und mit der ich mich immer sehr nett unterhalte, grüßt mich einfach am Gemüsestand auf dem Markt. Und ich weiß nicht, wer das ist. Das macht mich fertig. Wenn es ganz schlimm kommt, erkenne ich sie erst, wenn ich wieder in ihrem Blumenladen stehe. Und sie hat mich mit meinem NAMEN begrüßt. Himmel!
Meine Familie ist übrigens auch nicht immer begeistert über meine Namenfindungsstörungen. Ich nerve sie nämlich immer wieder, wenn ich von einer Person erzählen möchte und nicht auf den Namen komme, kurz überlege und dann so was sage wie: „Mensch jetzt helft mir doch mal, ihr Name fängt mit T an.“ Dann rätseln alle rum und am Ende stellt sich heraus, die Person heißt Jette. Alle sind empört und regen sich auf. Ich finde allerdings, wenn man sich den Namen Jette auf der Zunge zergehen lässt, ist es kein Wunder, wenn das T deutlicher im Gedächtnis hängen bleibt als das J. Deswegen finde ich mein T gar nicht so verkehrt, kann damit bei meiner Familie aber so gar nicht punkten.
Nun gut, jetzt zurück zu meinem Liebesroman-Namensproblem.
Den vielen anderen Figuren gebe ich erstmal sicherheitshalber einen Namen, der sich aus der Beziehung der Figur und einer realen Person aus meinem Umfeld ergibt. Also der Hausmeister im Buch kriegt den Namen des Hausmeisters aus der Grundschule meiner Kinder, die Schwester der Freundin, den Namen der Freundin meiner Schwester usw. So ist mir auf Anhieb klar, in welcher Beziehung die Person zu meinem Protagonisten steht. Damit komme ich wunderbar klar, behalte den Überblick und so beende ich erstmal den Roman.
In der Überarbeitungsphase gehe ich dann alle Personen durch und ändere die Namen der Nebenpersonen wieder alle ab. Ich überlege mir sehr lange einen passenden Namen und ersetze ihn dann. Allerdings kann es sein (da es so viele Personen gibt), dass ich zwei Wochen später schon wieder vergessen habe, was ich mir großartiges bei der Wahl des Namens gedacht habe. Mein Buch wimmelt vor fremden Namen und ich komme ganz durcheinander, auch wenn es ganz erfrischend sein kann, seinen eigenen Roman zum wiederholten Mal zu lesen und sich nicht auszukennen. Spaß bei Seite, ich habe mir jetzt eine Liste mit den alten und den neuen Namen angefertigt, um den Überblick zu behalten.
Ich habe keine Ahnung, ob ich die einzige bin, die so arbeitet und ich würde es auch niemandem empfehlen ... aber bei meinem neuen Buch habe ich es genauso wieder gemacht. Ist wohl mein Ding.
Und jetzt bin ich wieder in der Änderungs- und Listenphase und schüttele selbst den Kopf über mich.