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040 - 13.08.2021

Fortsetzungen haben ihre Tücken

Ich bin ein bekennender Nicht-Plotter. Das bedeutet, dass ich nicht im voraus den ganzen Roman konzipiere, mir nicht die Wendepunkte überlege, nicht eine simple 3-Akt-Struktur mit Exposition, Konfrontation und Auflösung konstruiere.

Warum? Weil ich beim Schreiben so nicht funktioniere. Ich schleppe meistens meine beiden neuesten Protagonisten sehr lange im Kopf mit mir herum. Die unterhalten sich dort und lernen sich kennen. Es gibt Streit, Wut und Tränen, während ich zum Beispiel ganz harmlos den Salat für das Abendessen vorbereite. Und heiße Küsse, während ich meinen morgendlichen Milchkaffe genieße. Es formen sich einzelne Szenen und Dialoge und so geht das immer weiter, die Story dehnt sich aus und dann kommt der Tag, bzw. meistens der Abend, an dem ich mich hinsetze und anfange zu schreiben. Und dann gibt es kein Halten mehr.

Natürlich beginne ich auch dann nicht von vorne. Sondern mit den Szenen, die schon ausgereift existieren, die ich immer wieder und wieder durchdacht und verbessert habe. Dabei gebe ich mir Mühe, die Seiten in eine zeitlich richtige Reihenfolge zu bringen. Wenn ich merke, dass Übergänge fehlen, fange ich an, sie zu schreiben und dabei entwickelt sich wieder etwas Neues, dass ich dann in Szene XY einbauen muss, damit die Logik stimmt.

Unübersichtlich. Von außen betrachtet vermutlich schon. Aber ich habe während des Schreibprozesses nicht das Gefühl, im Chaos zu versinken.

Am Schluss wird alles noch einmal überarbeitet, die Geschichte bekommt ihren Feinschliff und dann wandert sie erstmal in die Schublade. Denn ich muss Abstand gewinnen, etwas anderes denken und arbeiten.
Nach ein paar Wochen knöpfe ich mir den Roman wieder vor. Bei der Überarbeitung herrscht eine ganz andere Stimmung. Ich schaffe nichts Neues, sondern konzentriere mich auf das große Ganze und die Dynamik der Geschichte. Und korrigiere.

Seit zwei Monaten habe ich jetzt aber eine neue Problematik kennengelernt. Die Tücken einer Fortsetzung. Zum ersten Mal schreibe ich an einem zweiten Band. Die Hauptprotagonisten wechseln und die Protagonisten aus Band 1 übernehmen jetzt die Nebenrollen. Hier muss ich zum ersten Mal aufpassen, weil sich in Band 1 Dinge ereignet haben, die in Band 2 beachtet werden müssen. 

Also habe ich zaghafte Plotversuche gestartet. 10 Tage lang. Immer wieder. Und bin gescheitert, weil ich nicht in den Schreibfluss gekommen bin. Keine Ideen hatte. Der Plot konnte meine Liebsten nicht zum Leben erwecken.
Dann habe ich alle Blätter mit meinen Strukturierungsversuchen zerrissen und weggeschmissen. Habe mich hingesetzt und einfach drauflosgeschrieben. Ich kenne ja meine Nebenfiguren, die jetzt ihre eigene Geschichte bekommen. Ich habe sie selbst erfunden und weiß schon, was mit ihnen passiert. Ich musste nur mir selbst vertrauen und schon hat es geklappt. Innerhalb von fünf Tagen fanden 18000 Wörter ihren Weg in meinen Laptop und die alte Unbekümmertheit beim Schreiben ist zurück. Für die Richtigkeit aller Daten übergebe ich meinen Roman am Schluss der andere Person in meinem Körper, die sich gerne um so etwas kümmert, wenn sie im Überarbeitungsmodus ist.

Jetzt mache ich aber erstmal zwei Wochen Urlaub, obwohl ich das Gefühl habe, das der zweite Band in meinem Kopf weiterarbeitet, während ich für alle anderen friedlich und faul am Seeufer liege.
Wenn die wüssten ...