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015 - 28.08.2020

Sauerampfersüppchen - Drama in drei Akten

Große Dramen handeln oft von einer Liebe, die nicht erfüllt werden kann. So ist das.
Meistens geht es um die Liebe zwischen Frau und Mann, in meinem speziellen, häuslichen Drama um Tochter und Suppe. Klingt erstmal albern, steht aber der Weltliteratur an leidenschaftlichem Bemühen, Schmerz und unerfülltem Verlangen in nichts nach.

Sauerampfer wuchs im Garten meiner Schwiegereltern wie Unkraut in Massen. Die Oma kochte ab und zu ein köstliches Sauerampfersüppchen und meine Tochter liebte es. So weit, so gut.
Dann wurde das Haus samt Garten verkauft und so begann das Drama um ein simples Sauerampfersüppchen (und damit natürlich verknüpft um wundervolle Kindheitserinnerungen).

Im ersten Akt versuchte ich Sauerampferstauden zu kaufen, um sie in unseren Garten anzupflanzen. Es war mir zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich. Im Gartencenter erntete ich nur einen ungläubigen Blick vom Verkäufer, was mich empörte, ich hatte schließlich nicht nach Löwenzahnpflanzen gefragt. Auch diverse Damen in der direkten Mithörnähe meiner verzweifelten Anfrage verzogen despektierlich ihren Mund. Wahrscheinlich hielten sie mich für eine reiche Tussi ohne Ahnung von irgendwas, die nicht in der Lage ist, Unkraut, auch ohne eine Cent auszugeben, Leben einzuhauchen. Dass ich Biologie studiert habe, verschweige ich dann immer lieber. Kann man besser flüchten.

Apropos: Mithörnähe. Ist das nicht ein schönes Wort? Ich bin so froh, das die deutsche Sprache solche zusammengesetzten Substantive hergibt, ich liebe das.

Zurück zum Suppendrama.
Zweiter Akt: Der Advent nahte und ich konnte im Internet Sauerampfersamen erstehen und habe sie meiner Tochter in ihren Adventskalender gesteckt. Ich mache das immer noch jedes Jahr gemeinsam für Tochter und Sohn, ich liebe das. Die Advents- und Weihnachtszeit ist so schön, so gemütlich, so dekorativ, immer wenn ich nur daran denke, gerate ich ins Schwärmen, auch im geliebten Hochsommer bei 33 Grad – ahh – ich merke, ich schweife ab.
So – Samen im Adventskalender. Die Freude war groß. Meine Tochter hat die Samen mit Liebe eingepflanzt, die Packungsbeilage genauestens befolgt und darüber hinaus den Blumentopf täglich betreut.
Aber es half alles nichts, aus der verwendeten Gartenerde kam nichts, aber auch gar nichts aus der Erde, was im entferntesten an Sauerampfer erinnert hätte – anderes allerdings schon. Da will man Unkraut anpflanzen und was kommt? Anderes Unkraut!
Die erträumte Suppe geriet wieder in weite Ferne und Schmerz und Kummer wuchsen.

Dann: Dritter Akt, die nette Freundin und Nachbarin der Mutter betritt die Bühne.
Sie hat natürlich das Drama hautnah miterlebt und ihr war das gelungen, was mir verwehrt geblieben war, sie erstand eine Sauerampferstaude. Die wurde am idealen Standort im Garten eingepflanzt, die Mutter konnte es nicht lassen und erstand, da sie jetzt die Quelle kannte, noch vier weitere Pflanzen und uns lief quasi schon das Wasser im Mund zusammen.
Und dann, man ahnt es, alle Pflanzen gingen ein, trotz Sonne, Wasser, Liebe, Zuspruch, Streicheleinheiten und ... gegen Ende strenge Worte.
Ein winziger Stängel bäumte sich noch kurzfristig auf und ich stellte mir dann den Ertrag so vor, dass wenigstens die Tochter so einen kleinen Porzellanlöffel voll Suppe abbekommt, wie man ihn manchmal in vornehmen Restaurants als Gruß der Küche gereicht bekommt, aber dann gab auch dieser Stängel auf ...

Und jetzt wisst ihr auch, warum ich Weltliteratur ohne Happy End manchmal so anstrengend finde.
Man fiebert Seite um Seite mit den Protagonisten, wünscht bis zum Schluss, dass sich das Schicksal wendet und sie am Ende noch alles gebacken bekommen und dann ... keine Suppe für die Tochter.

DAS IST DOCH DOOF.

Wie soll man denn dann einschlafen, geschweige denn durchschlafen, ohne mit Albträumen von leeren Sauerampfersuppenschüsseln wieder hochzuschrecken!

Ich bin für Happy End mit Suppe. So.

Es ist doch nicht zu fassen, ich kann Rosmarin, Salbei, Maiglöckchen, Thymian, Palme, Lavendel, Hortensien, Schnittlauch, Olivenbäume, Bärlauch und noch viele Pflanzen mehr, alles blüht und gedeiht in meinem Garten, aber daraus kann man kein Sauerampfersüppchen kochen ...

Wer wirklich hilfreiche Tipps für mich hat, bitte melden!!!
Vielleicht kriegen wir das Drama ja noch umgeschrieben ...